«Ich brauche kein Handy, ich habe hier ja Freunde»

Rund 300 Kinder und Jugendliche aus armutsbetroffenen Familien verbringen in diesem Sommer wieder ihre Sommerferien in den Ferienlagern des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks. 126 davon sind Geflüchtete aus der Ukraine, die dank Spenden der Glückskette daran teilnehmen können.

Das Lagerhaus liegt an einer grossen Wiese mitten im Dorf Aurigeno im Maggiatal. Die Lagerleitung gibt das Nachmittagsprogramm und die Packliste für den Rucksack bekannt: 36 Kinder hören – mehr oder weniger – zu. Acht von ihnen kommen aus der Ukraine und können dank Spenden der Glückskette an diesem Lager teilnehmen. Ein ukrainischer Betreuer übersetzt, was sie in den Rucksack packen müssen. «Und Sonnencrème», ruft Alijana vom hinteren Tisch. Dank ihrer russischen Mutter versteht sie etwas Ukrainisch und hat aufmerksam zugehört. “Ich verstehe nicht alles, aber viele Wörter sind ähnlich“, erzählt sie. Die 10-jährige ist bereits zum vierten Mal in einem Kinderferienlager des SAH Schweiz und weiss bereits, wie es läuft. Dieses Jahr steht das Lager unter dem Motto Zirkus. Am Morgen konnten die Kinder verschiedenen Posten ausprobieren: Clown, Jonglieren mit Feuer, Akrobatik und Tanz. Am Abend dürfen sie sich für eine Disziplin entscheiden, um dann den Rest der Ferien für die grosse Aufführung am Freitag zu üben.

In dieser Woche finden schweizweit gleichzeitig vier Lager des SAH für Kinder und Jugendliche statt. Das Zeltlager für Jugendliche in der Nähe von Lugano wurde am Abend vorher von einem Gewitter überrascht. Zum Glück waren die Zelte stabil und nur ein paar Schlafsäcke wurden nass. Alle französisch sprechenden Kinder sind zusammen in der Romandie. Und in letzter Minute konnte noch ein Lager im Kanton Jura mit 50 ukrainischen Jugendlichen realisiert werden, die alle auf der Warteliste standen. „Das war nur dank der grosszügigen Spenden der Glückskette möglich“, betont Roger Humbel, der Verantwortliche für die Kinder- und Jugendlager des SAH Schweiz.

Für armutsbetroffene Familien in der Schweiz sind die SAH-Ferienlager seit fast 90 Jahren eine wichtige Unterstützung. Es ist für Kinder und Jugendliche oft die einzige Möglichkeit, in den Schulferien zu verreisen, neue Freundschaften zu schliessen, aus dem Alltag auszubrechen und Neues kennenzulernen.

Die Ferienlager des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks (SAH) haben ihren Ursprung in den Ferienkolonien der 1933 gegründeten «Arbeiter-Kinderhilfe». Diese Erholungsferien für Kinder von Arbeitslosen verfolgten das Ziel, sie mit Nahrungsmitteln und Kleidern zu versorgen. Auf dieser Grundlage gründete die SP zusammen mit dem Gewerkschaftsbund 1936 das Schweizerische Arbeiterhilfswerk. Bis heute haben die Kinderlager ihre grosse Bedeutung behalten.

Das SAH ist ein parteipolitisch und konfessionell unabhängiges Hilfswerk mit einer über 80-jährigen Tradition. Schweizweit unterstützt es Menschen mit Bildungs-, Beratungs- und Beschäftigungsangeboten bei der sozialen und beruflichen Integration. Zehn unabhängige Regionalvereine bilden zusammen das SAH Netzwerk und sind mit rund 900 Mitarbeitenden in 18 Kantonen und 44 Städten der Schweiz im Einsatz.

Interview mit der 10-jährigen Arijona aus dem Kanton Zürich:

Du warst schon vier Mal mit dem SAH in einem Lager. Was gefällt dir besonders?

Ich habe schon viele neue Freundinnen kennengelernt. Letztes Jahr haben wir T-Shirts angemalt. Das hat mir gefallen. Und ich klettere gerne auf Bäume.

Wie schmeckt dir das Essen?

Es ist immer sehr fein.

Hat dich mal etwas genervt im Lager?

Ja, im letzten Sommer ist ein Junge in mich verliebt gewesen. Das war nicht so schlimm. Aber ein anderer hat immer gesagt „Arijona-Coca Cola“. Das hat genervt. 

Freust du dich wieder auf zu Hause?

Nein, ich liebe Lager.

Hattest du noch nie Heimweh?

Doch, in meinem ersten Lager. Da ist meine grosse Schwester dabei gewesen und wir durften mit dem Handy meine Mutter anrufen. Das hat mir geholfen.

In diesem Lager dürft ihr kein Handy dabei haben. Ist das schlimm?
Überhaupt nicht. Ich brauche kein Handy, ich habe hier ja Freunde.